Die Römer in Burtscheid
vor 2.000 Jahren

Die ersten nachweisbaren Siedler in Burtscheid ließen sich hier im frühen 1. Jh. n. Chr. nieder. Archäologische Funde zeigen, dass es Römer waren bzw. Menschen, die nach römischer Art lebten. Der römische Lebensstandard war hoch: Funde von mediterranen Importen (Feigen- und Olivenkerne, Münzen, Schmuck, Glasgefäße), Hinweise auf Obstgärten u.a. belegen das. Sie nutzten das vorhandene heiße Quellwasser ebenso wie das kalte Bachwasser der Wurm. Vermutlich gehörte die Burtscheider Gegend zum römischen Gemeinwesen von Aachen und war kein eigenständiger Ort. Nach 275 n. Chr. brechen die Funde ab, die Besiedlung in Burtscheid scheint vorerst aufgegeben worden zu sein.

Quellkammer im Haus des Gastes Quellkammer Weihesteine > Flussumleitung > Flussumleitung > Badeanlagen Frauenstatue Badeanlagen

In einer quadratischen, gemauerten Kammer war im 1. Jh. n. Chr. ein heißer Quellvorbruch gefasst. Die Kammer (Burtscheider Markt 20/22) sorgte dafür, dass das Wasser kontrolliert an der Erdoberfläche ausfloss und nicht bloß den Boden in der Umgebung vernässte. Außerdem konnte es so in eine Badeanlage geleitet und genutzt werden.
Römische Quellkammer in Burtscheid
(Zeichnung: L. Hugot, aus: H. Cüppers et al.: Aquae Granni, Köln 1982)
Freilegung der römischen Quellkammer im April 1969
(Grabungsfoto: LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland/LVR-LandesMuseum Bonn)

Natürlich austretendes heißes Quellwasser gehört zu den außergewöhnlichsten Phänomenen der Natur, ähnlich wie Vulkanausbrüche. Man stellte bereits in antiker Zeit fest, dass im Thermalwasser viele Mineralsalze gelöst waren und dass es eine gesundheitsfördernde Wirkung hatte. Gesundheit war aber etwas, was die Menschen nicht „machen“ konnten. Übermenschliche, d.h. göttliche Kräfte mussten es sein, die in natürlichen Heilmitteln wie heißen Quellen wirkten. Diesen personifizierten Gottheiten, z.B. Apoll oder die Nymphen, vertraute man sich direkt an. Steinerne Altäre und Weihesteine wurden diesen Gottheiten zum Dank gestiftet – ein römisches Ritual, das den Ausgleich zwischen Geben und Bekommen herstellte.
Die Inschriften auf den beiden in Burtscheid (Bereich Schwertbad) gefundenen Weihesteinen besagen, dass sich hier, in der Nähe der Thermalquellen, ein römischer Offizier und eine reiche Frau mit ihren persönlichen Anliegen an die Gottheiten gewandt hatten, von denen man glaubte, dass sie das Quellwasser schützten (Apoll, Nymphen). Vorderansicht des Weihesteins für den Gott Apoll: Der Stein zeigt außer der Inschrift ein stark verwittertes Bild des Gottes, sitzend und mit einem leierähnlichen Musikinstrument in der Hand
(Original im LVR-LandesMuseum Bonn, Kopie im Schwertbad Burtscheid; Foto: A. Siebigs)
Seitenansicht des Weihesteins für den Gott Apoll: Beide Schmalseiten zeigen jeweils eine Wasserkanne, ein deutlicher Hinweis auf das Quellwasser.
(Foto: A. Siebigs)
Weihe-Altar für die Nymphen: Der Altar zeigt kein Bild, nur eine Inschrift. (Original im Centre Charlemagne Aachen; Foto: A. Siebigs)

Die Römer leiteten die Wurm, also den Bach, der das Burtscheider Tal durchfließt, in einem künstlichen, holzeingefassten Kanal hinter dem Schwertbad vorbei – eine wasserbautechnische Maßnahme, die evt. etwas mit der Nutzung des Thermalwassers zu tun hat: Die Wurm überfloss die Thermalzone, das hier aufsteigende Thermalwasser hätte sonst nicht genutzt werden können. Die Ufer des künstlichen Bachkanals waren bewachsen.
Einen weiteren Teil des Wurm-Wassers leiteten die Römer zwecks Frischwasserversorgung über einen Aquädukt von Burtscheid bis in die Innenstadt von Aachen.
Künstliche Bachrinne aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., Grundstück Schwertbad
(Grabungsfoto: LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland/LVR-LandesMuseum Bonn)
Römische Wasserleitung von Burtscheid nach Aachen: gut erhaltene Reste in der Zollernstraße
(Foto: A. Siedamgrotzky, Stadtarchiv Aachen (StAAc), Foto 61-24)

Die Menschen vor 2.000 Jahren verwendeten das Burtscheider Thermalwasser zum Baden. Thermalbaden war bei den Römern generell äußerst populär, viel mehr als heute. Man nutzte jede Gelegenheit und verstand es ausgezeichnet, technisch anspruchsvolle Badeanlagen zu bauen. Bei Kanalbauarbeiten am Burtscheider Markt im Jahr 2010 wurden vor Haus Nr. 15-17 Reste eines römischen Bauwerks gefunden, das wasserfesten Putz enthielt, also ein Badebecken gewesen sein könnte. Ähnliche Reste fand man 1962 am „Haus des Hörens“ (Dammstraße).

Römisches Badebecken am Burtscheider Markt, gefunden 2010
(Grabung SK ArcheoConsult, Dr. D. Kyritz, Foto: A. Schaub)

Statuen, also Vollplastiken von Personen, sind eine Form öffentlicher Kunst, die seit Tausenden von Jahren existiert. In römischer Zeit waren viele lebensgroße Statuen im öffentlichen Raum aufgestellt: von Göttern, Kaisern und auch Privatpersonen. Die im Jahr 1966 unter dem Eingang des Schwertbades gefundene römische Statue stellt eine uns unbekannte Privatperson dar: eine Frau, die sehr vornehm gekleidet ist und eine Art Geldbeutel in der Hand hält. Das Material (Lothringer Kalkstein) und die ungewöhnliche Eleganz der Ausführung lassen auf einen reichen Auftraggeber schließen. Wo die Statue ursprünglich gestanden hat, wissen wir nicht. Vielleicht wurde mit ihr eine Person geehrt, die in Burtscheid ein Gebäude oder viel Geld gestiftet hatte.
Römische Frauenstatue aus Burtscheid, 1. Jh. n. Chr., gefunden 1966
(Original im LVR-LandesMuseum Bonn, Kopie im Centre Charlemagne Aachen, Foto: A. Siebigs)